Nürnberger Tribunal
Die Nürnberger Prozesse umfassen den Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher (Göring et al.) vor dem Internationalen Militärgerichtshof nach dem Londoner Statut sowie zwölf weitere sogenannte Nürnberger Nachfolgeprozesse vor einem nationalen US-amerikanischen Militärtribunal nach Kontrollratsgesetz Nr. 10, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Justizpalast Nürnberg zwischen dem 20. November 1945 und dem 14. April 1949 gegen führende Repräsentanten des Deutschen Reichs zur Zeit des Nationalsozialismus durchgeführt wurden. Verbrechen an nichtalliierten Staatsbürgern oder Staatenlosen, die vor Beginn des Zweiten Weltkriegs begangen wurden, spielten in diesen Prozessen keine nennenswerte Rolle.
Vorgeschichte
In der Moskauer „Erklärung über deutsche Gräueltaten im besetzten Europa“ vom 30. Oktober 1943 hatten die Alliierten ihre Absicht erklärt, nach dem Krieg diese Verbrechen zu verfolgen. Deutsche, die in einem besetzten Land Verbrechen begangen hatten, sollten ausgeliefert und nach dort geltendem Recht verurteilt werden. Die „Hauptverbrecher“ aber, deren Verbrechen nicht einem bestimmten Land zugeordnet werden konnten, sollten nach einer noch zu fällenden gemeinsamen Entscheidung der Alliierten bestraft werden. Im Oktober 1943 wurde die United Nations War Crimes Commission gegründet, die Vorschläge für eine strafrechtliche Verfolgung erarbeitete. Sie wurden die Grundlage für das Londoner Viermächte-Abkommen vom 8. August 1945 („Abkommen zwischen der Regierung des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland, der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, der Provisorischen Regierung der Französischen Republik und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken über die Verfolgung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der Europäischen Achse“).
Bestandteil dieses Abkommens war das 30 Artikel umfassende Londoner Statut für den Internationalen Militärgerichtshof, in dem bestimmt wurde, dass ein von Großbritannien, den USA, Frankreich und der UdSSR gebildeter Internationaler Militärgerichtshof „zwecks gerechter und schneller Aburteilung und Bestrafung der Hauptkriegsverbrecher der europäischen Achse“ gebildet werden solle.
Kronzeuge der Ankläger war dabei der Linzer Generalmajor Erwin von Lahousen, ehemaliger Leiter der Abteilung II des Amtes Ausland/Abwehr der Wehrmacht. Dieser widerlegte schon im Verlauf des Prozesses mit seinen Aussagen, die sich unter anderem auf das geheime, von Wilhelm Canaris geführte Tagebuch stützten, die Behauptungen über eine „saubere Wehrmacht“ ebenso wie jene des absolut erforderlichen Präventivkrieges gegen die Sowjetunion.
Die als „Hauptkriegsverbrecher“ Angeklagten wurden bis zum Prozessbeginn im „Ashcan“ („Aschekasten“) und im „Dustbin“ („Mülleimer“) festgehalten, saloppe britische bzw. amerikanische Bezeichnungen für die Kriegsgefangenenlager in Mondorf-Les Bains im Großherzogtum Luxemburg und Schloss Kransberg bei Frankfurt a. M., die für Prominente benutzt wurden.
Verteidigung und Legendenbildung
Von den Verteidigern der Angeklagten waren einige nur schwer dazu zu bringen gewesen, ein Mandat zu übernehmen, andere hielten es für ihre „patriotische Pflicht“ und bezeichneten die alliierten Strafprozesse immer wieder als Racheakte im Zusammenhang mit dem Morgenthau-Plan. Einige, wie der ehemals in der Luftwaffe dienende Hans Laternser, wollten die „deutsche Soldatenehre“ retten. Laternser gründete 1945 eine historische Beratergruppe, in der unter seiner Federführung die ehemaligen Generalfeldmarschälle Walther von Brauchitsch, Erich von Manstein, der ehemalige Generaloberst Franz Halder und der ehemalige General Siegfried Westphal eine gemeinsame Denkschrift verfassten. Diese Denkschrift mit dem Titel Das Deutsche Heer von 1920–1945 sollte darlegen, dass der Generalstab des Heeres keine besondere Schuld an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit trage. Sie behauptete, das Heer sei gegen NSDAP und SS eingestellt gewesen, habe nahezu alle wichtigen Entscheidungen Hitlers missbilligt und gegen Kriegsverbrechen opponiert. Diese Denkschrift wurde nicht nur unter den Angeklagten weitergegeben, sondern auch unter Offizieren der Wehrmacht. Unstrittig ist, dass es in der Heeresleitung auch Offiziere gab, die die militärische Kompetenz der NS-Führung bezweifelten. Aber die Denkschrift gilt heute als Beginn der Legende von der „sauberen Wehrmacht“. Laternser, der Verteidiger des Generalstabs, und der Verteidiger von Dönitz, Kranzbühler, widmeten sich einige Jahre später einer politischen Lobbyarbeit für die Täter, die der Nachwelt ein unbeflecktes Bild der Wehrmachtführung übermitteln sollte.
Siehe auch: Potsdamer Abkommen | Artikel 139