Schlussakte von Helsinki 1975
Nach zweijährigen Verhandlungen vom 18. September 1973 bis zum 21. Juli 1975 in Genf wurde am 1. August 1975 die KSZE-Schlussakte in Helsinki unterschrieben. Die unterzeichnenden Staaten verpflichteten sich in dieser Absichtserklärung zur Unverletzlichkeit der Grenzen, zur friedlichen Regelung von Streitfällen, zur Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten sowie zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Außerdem wurde die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Umwelt vereinbart. In Folgekonferenzen sollte die Umsetzung der KSZE-Schlussakte in den einzelnen Staaten geprüft werden.

HELLGRÜN: Schlussakte von Helsinki unterzeichnet
GElB: keine Unterzeichnung
ORANGE: Partnerstaaten
Die Schlussakte von Helsinki ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine selbstverpflichtende Aussage der Staaten. In ihr wurden Vereinbarungen über die Menschenrechte, die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt, Sicherheitsfragen sowie Fragen der Zusammenarbeit in humanitären Angelegenheiten getroffen. Ziel war es, Ost und West in Europa zu einem geregelten Miteinander zu verhelfen.
Das Dokument ist in vier Abschnitte gegliedert:
- Abschnitt 1 behandelt „Fragen der Sicherheit in Europa“, gegliedert in eine Erklärung von zehn Leitprinzipien der Beziehungen der Teilnehmerstaaten und deren Erläuterung sowie ein Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen im militärischen Bereich. Die zehn Prinzipien waren:
- Souveräne Gleichheit, Achtung der Souveränität innewohnenden Rechte
- Enthaltung von der Androhung oder Anwendung von Gewalt
- Unverletzlichkeit der Grenzen
- Territoriale Integrität der Staaten
- Friedliche Regelung von Streitfällen
- Nichteinmischung in innere Angelegenheiten
- Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- und Überzeugungsfreiheit
- Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker
- Zusammenarbeit zwischen den Staaten
- Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen nach Treu und Glauben
- Abschnitt 2 behandelt die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt
- Abschnitt 3 beschäftigt sich mit Fragen der Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum; hierzu waren in der zweiten Konferenzphase Ansichten und Vorschläge der nicht an der Konferenz teilnehmenden Mittelmeer-Anrainer Algerien, Ägypten, Israel, Marokko, Syrien und Tunesien gehört worden.
- Abschnitt 4 schließlich behandelt Grundsätze der Zusammenarbeit in humanitären und kulturellen Bereichen.
Außerdem enthält die Schlussakte eine Präambel sowie einen Schlussteil mit dem Titel „Folgen der Konferenz“, der die Willensbekundung der Teilnehmerstaaten zur Anwendung der Konferenzbeschlüsse enthält sowie die Verabredung zur Fortsetzung des Konferenz-Prozesses in Nachfolgekonferenzen.
Das Dokument zu vertrauensbildenden Maßnahmen in Abschnitt 1 enthielt konkrete sicherheitspolitische Vereinbarungen. Hierzu gehörte die Ankündigung von Manövern ab 25.000 Soldaten mindestens 21 Tage im Voraus und die Einladung von Beobachtern zu diesen Manövern. Nicht Gegenstand der KSZE-Verhandlungen waren konkrete Abrüstungsvereinbarungen. Diese wurden parallel bei den MBFR-Verhandlungen in Wien diskutiert und 1989 nach 16 Jahren ergebnislos abgebrochen.
Folgen der Konferenz
Die Konferenz war von einem Tauschgeschäft geprägt: Für den Ostblock brachte sie die Anerkennung der Grenzen der Nachkriegsordnung und einen stärkeren wirtschaftlichen Austausch mit dem Westen. Im Gegenzug machte der Osten Zugeständnisse bei den Menschenrechten.
Unmittelbar nach der Konferenz galt in den Augen vieler Beobachter der Ostblock als eigentlicher Gewinner der Konferenz, da erstmals die Grenzen der osteuropäischen Staaten (insbesondere Polens und der DDR) in einem internationalen Vertrag anerkannt wurden, das Prinzip der „Nichteinmischung“ in die inneren Angelegenheiten festgeschrieben und auch die Grundlagen für (vom RGW-Raum gewünschte) Wirtschaftsbeziehungen geschaffen wurden.
Erst später zeigte sich, dass das Kapitel VII der Schlussakte („Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit“), das von den RGW-Staaten wohl zunächst nicht ernst genommen worden war, ein größeres Gewicht besaß. Er gab den Anstoß für die Gründung zahlreicher „Helsinki-Gruppen“ in der Sowjetunion, darunter die Moskauer Helsinki-Gruppe, die Ukrainische Helsinki-Gruppe, die litauische Helsinki-Gruppe, die lettische Helsinki-Gruppe, die estnische Helsinki-Gruppe und die georgische Helsinki-Gruppe. Kapitel VII wurde zur Grundlage für die Arbeit vieler osteuropäischer Dissidenten und Menschenrechtsorganisationen. Dazu zählen zum Beispiel die Bürgerrechtsbewegung in der DDR, die Charta 77 in der ČSSR, Solidarność in Polen oder Human Rights Watch, die sich auf die Akte von Helsinki beriefen. Sie trugen zum Zusammenbruch des Ostblocks bei, so dass die KSZE maßgeblich zum Ende des Ost-West-Konflikts beitrug.